Selbstaussagen
Die Frage, die im Zentrum meines Interesses, meines Nachdenken und meiner Arbeit steht, ist die Frage nach der Natur des Menschen, seinen Möglichkeiten und seiner Zukunft.
Das steckt ein Feld ab, grenzt vieles aus und schließt vieles ein.
Einbezogen sind die Fragen nach individuellem und kollektivem Schicksal, nach ihrer Verschränkung, einbezogen ist das Interesse an Geschichte und Vorgeschichte, an Mythen und Archetypen und ihrer Bedeutung für die Gegenwart. Eingeschlossen ist die Frage nach dem Ursprung schöpferischer Kräfte, eingeschlossen das Problem der Macht, der Aggressivität, Gewalt und der Unterdrückung, die Vorgänge des Umsturzes und der Auflehnung und ihre Dynamik. Aufgeworfen ist die Frage des friedlichen Zusammenlebens, bedeutsam der Aspekt der gemeinsamen Arbeit und Erziehung dazu. Wichtig sind mir die Kämpfe um Autonomie und Freiheit, die Solidarität der Aufbegehrenden, das Spannungsfeld von Selbstverwirklichung und Verantwortung, die Utopien des Glücks und die Tragödien des Absturzes.
Dieses Feld liefert eine Unzahl von Beobachtungen und Eindrücken, von Vorstellungen, Assoziationen, Ideen, die nach vielen Seiten entfaltbar sind.
Wilfrid Polke
SINN-BILDER
„Die menschliche Gesellschaft ist, durch technische Innovationen bedingt, in einem stetigen, immer schneller werdenden Wandel begriffen. Neue Technologien lösen Probleme der Lebensbewältigung, schaffen neue Perspektiven, stellen aber die kreativen Kräfte auch vor immer neue Aufgaben. Die Lösung eines Problems verursacht häufig neue Problemlagen und erfordert weitere Problemlösungsstrategien.
Aber menschliche Kreativität erschöpft sich nicht in der Erfindung und Entwicklung neuer Technologien. Sie hat ihr Feld auch auf dem Gebiet neuer Lebensentwürfe, der Deutung, der kritischen Reflexion und der Sinngebung menschlichen Lebens. In der Kunst fragt der Mensch nach seinem Standort in der Welt, nach Richtung und Sinn menschlicher Entwicklung. Er versucht, Bilder und deutende Geschichten zu entwerfen, die den Fluß des Geschehens überschaubar machen und sinnvoll erscheinen lassen.
In meiner künstlerischen Arbeit suche ich Bilder für die Befindlichkeit des Menschen, für seine Träume, Hoffnungen und Ängste. Alte Erfahrungen der Menschheit und neue Utopien fließen zu einer privaten Mythologie zusammen. Dabei entstehen Bilder und Plastiken, die eher intuitiv als rational zu erfassen sind.
Das Rohmaterial meiner Plastiken, oft Fundstücke aus dem Industrieschrott des Ruhrgebietes, hat durchaus einen Bezug zur technischen Welt der Gegenwart. Es reizt meine Phantasie zu zweckfreiem Spiel, zu abstrakten oder figürlichen Kompositionen. Die Werke haben dabei nicht abbildenden Charakter; sondern sind zeichenhaft und lassen freie Assoziationen des Betrachters zu. Meine Arbeiten suchen die Nähe zu mythischen Bildern und deuten die Gegenwart auch aus den alten Erfahrungen und Weisheiten der Menschheitsgeschichte. Kunst ergänzt die Technik durch das Element des zweckfreien Spiels. Sie stellt die Frage nach dem Humanen und die Frage nach der Richtung, dem Sinn und den Grenzen des technischen Fortschritts.“
Wilfrid Polke
Meine Auseinandersetzung als Bildhauer mit Fragen des plastischen Gestaltens, einer Formsprache, die sich mit Gewichtung, Materialeigenschaften, Volumina, Statik und
Ausdrucksgesten im Raum befasst, verlangt häufig eine Strenge im Denken und im Planen. Selbst bei der dreidimensionalen Gestaltung der menschlichen Figur, die auch für die Plastik der Gegenwart wieder von Bedeutung ist, müssen Überlegungen zu Material und Statik eine Rolle spielen und schränken die Möglichkeiten der
Realisation ein.
Der Rückgriff auf ursprüngliche Formen, auf eine Sprache früher Kulturen und Ausdrucksweisen, auf Konzentration und Vorliebe für Grundformen ist dabei augenfällig. Die Nähe zu archaischen Standbildern wird gesucht und gefunden. Stärker
in den Hintergrund tritt in der Plastik die Gegenwart, das Erzählende, Narrative, das Anekdotische und Szenische, das sich eher in der Aktionskunst oder in anderen Bereichen der darstellenden Kunst wiederfindet.
Auch bei mir hat sich die Lust zu fabulieren, die Lust Geschehnisse vor Augen zu führen, auf ein anderes, das Medium des Poetischen, Zeichnerischen, verlagert, das auch kritische Zwischentöne, lustvoll oder melancholisch Erzähltes zulässt oder angemessen zum Ausdruck bringt.
Wilfrid Polke