Vagantenlieder und Vagantenverse von Wilfrid Polke

Die Bilder- und Texte-Zyklen ,,Vagantenlieder“ von Wilfrid Polke folgen dem Lebensweg eines fahrenden Sängers, der offen, wach, beobachtend und erlebnishungrig durch die Welt zieht, die Liebe erlebt, die Machtstrukturen durchschaut, die Katastrophen wie Krieg und Pest übersteht und sich auf alles seinen Reim macht. Er singt, wie ihm der Schnabel gewachsen ist, lässt sich seine Ketzereien nicht verbieten, findet Anklang bei Seinesgleichen, erregt aber Anstoß bei der Obrigkeit, landet im Kerker und entgeht nur mit Mühe dem Galgen. Seine Lieder handeln von einer sehr weltlichen Pilgerfahrt quer durch Europa und Nordafrika, sein Lebenshunger findet Nahrung in vielen Begegnungen, sein wacher Geist reflektiert seine Erlebnisse in lakonischer Weise.

Die Zeit des Mittelalters bildet die Folie für die Zeichnungen und Verse, doch dieses Mittelalter kommt uns auf merkwürdige Weise bekannt vor. Reich und Arm, Oben und Unten, die anarchische Sicht eines Habenichts auf eine so geordnete Welt, das hat Aktualität und fordert auf, auch die heutigen Weltzustände neu zu betrachten. Werden es die Habenichtse von heute bei Liedern belassen, werden sie uns nicht einen anderen Spiegel vorhalten und unseren Überfluss und unsere Spaßgesellschaft auf andere Weise in Frage stellen?

Die Zeichnungen und Verse, weisen in ihrer Sprache darauf hin, auf welch brüchigem Boden die heutige auf Unrecht und Ungleichgewicht beruhende Weltordnung steht. Welche Menetekel brauchen wir noch, um umzudenken? Keine neuen Utopien, keine neuen Ideologien, keine neuen Feldzüge der Macht – neue Brüderlichkeit und Schwesterlichkeit helfen uns weiter.

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